1997 – 2005

Gouachen auf Papier

Sigi Zahn: Arbeiten von 1997 – 2005

Bettina Baumgärtel

Die Arbeiten von Sigi Zahn aus den letzten Jahren haben gegenüber den bis 1995 entstandenen Papierarbeiten deutlich nochmals an Kraft und Farbenfülle gewonnen. Zeichneten sich die älteren Arbeiten schon durch eine prachtvolle Farbigkeit aus, so wurde die Intensität der Farbe und die Präsenz der Formen in den neuen Arbeiten auf besonderer Weise nochmals gesteigert. Zur
Farbenpracht kommt neuerdings ein räumliches Moment hinzu: Überlebensgroße Bahnen, die als Diptychon von der Decke gehängt werden, greifen in den Raum ein, bilden Trennwände und lenken auf unumgängliche Weise den Blick auf sich.

Gerade dies jüngsten Arbeiten haben gemäldehaften Charakter und erinnern nicht nur durch die lebensfrohen Farbklänge, sondern auch in ihrer piktogrammartigen Formensprache an die Wandbilder südamerikanischer Völker. In der Tat stellt Sigi Zahn seine Farbpalette in der Hochebene von Mexiko und in den Wüsten Afrikas zusammen. Die Töpferware der Indianer lehrte ihn, den
genauen Ton Terracottarot und des Umbra zu treffen. In den Stein- und Sandwüsten der Sahara entdeckte er das sonnige Currygelb und das warme Bersteinorange. Sein Rotton glüht und blutet, sein Blau ist dem vom Mond beschienen Dschungel entwachsen.

Auch die dinghafte Welt seiner Gouachen speist sich aus den südamerikanischen und afrikanischen Kulturen. Nicht mimetisch sondern zeichenhaft entfaltet er im Rückgriff auf deren Lebewesen und Landschaftselementen ein Symbol für den Kosmos des Lebens. Der Adler, die Schlange, die Palme, die Pyramide oder der Fisch stehen nicht nur stellvertretend für diese uralten Hochkulturen, sondern
sie werden auch zu universellen Lebenssymbolen. Ewiges und Augenblickliches verbinden sich mit ihnen. Zu Formeln erstarrt beanspruchen sie Ewigkeitswert und sind zugleich augenblicks-, das heißt wahrnehmungsbezogen. Wenn der Archäologe seine Königin besucht – so der Titel einer Gouache von 1999 – trifft Gegenwärtiges auf Vergangenes und verlebendigt sich in den überdauernden Resten und Ruinen. Momenthaftes Erleben und Betrachten gefrieren so dauerhaft in der Kunst.
Auch Fremdes, ja Widersprüchliches führt Sigi Zahn in seinen großformatigen Gouachen geradezu kontinentüberschreitend zusammen und schließt es zu einem kosmischen Ganzen zusammen. Die so gegensätzlichen Elemente Wasser und Wüste, deren Vegetation und Lebewesen, beispielsweise ein mit schaufelartigen Zangen bewaffneter Krebs und eine feuerzüngig in den Himmel lodernde Palme, werden als zeichenhafte Formen miteinander kontrastiert. Jene Page 2 ineinandergestaffelte Ding- und Zeichenwelt wird nochmals durch das Versteckspiel von Durch- und Draufblicken sich öffnender und verschließender Formen gesteigert.

In den Arbeiten von Sigi Zahn geben die Dinge Rätsel auf, da ihre Geschichte nicht wortwörtlich ablesbar ist. Ebenso wenig entstehen wirkliche Räume oder begehbare Bühnen. Irregeführt durch eine horizontale Bildteilung blicken wir in Landschaftsräume, die jedoch ohne konkreten Abbildcharakter sind. Wir haben es mit hier vielmehr mit atmosphärisch aufgeladenen Licht- und Lufträumen zu tun.
Die Tier- und Pflanzenwelt ordnet sich in den Arbeiten von Sigi Zahn einer strengen Achsialität unter und bilden ein auf die Bildmitte bezogenes Gefüge. Auch der Mensch ist dem Weltengefüge unterworfen, er steht keineswegs über den tierischen oder pflanzlichen Wesen. Vielmehr ist er Teil eines hierarchielosen Beziehungsgeflechts. Sigi Zahns Arbeiten sind Zeugnis für die Erkenntnis vom Reichtum dieses menschlichen, tierischen und pflanzlichen Seins und von deren Verletzlichkeit.
Es geht hier aber um weit aus mehr: Im Akt des Malens kann Vergängliches festgeschrieben werden. Der Zauber des Fremden, das Bedrohliche und Magische kann mit den Mitteln der Kunst ausgebrannt werden. Im Prozess des Sichtbarmachens verliert das Rätsel seine Unfassbarkeit und fügt sich zu einer Ordnung zusammen. Eine Horizontlinie oder eine knapp an den unteren Rand
gesetzte Bildkante helfen diese unfassbaren Dinge zu verorten und die gefährdeten Wesen im Prozess des Malens schützend zu umhüllen, ihnen einen Ort zuzuweisen. Mit diesem Kosmos der wesenhaften Zeichen eröffnet Sigi Zahn eine neue „Mythologie des Lebens“.

Acrylbilder auf Leinwand